Der bekannte Sportjournalist Simon Graf hat für das Tennis Open Basel Magazin einen ausführlichen Artikel über Mika Brunold verfasst.
Mika Brunold bekam gute Sportlergene in die Wiege gelegt. Sein Grossvater Otto Demarmels ist eine FCB-Legende – der Mittelfeldmotor verzückte das Basler Publikum von 1967 bis 1982 mit seinen Dribblings und seiner Übersicht und feierte sechs Meistertitel und einen Cupsieg. Und Brunolds Eltern waren beide nationale Spitze im Tennis. Mutter Nathalie Demarmels ist Tennislehrerin, Vater Armando Brunold rangierte in den Top 10 der Schweizer Männer und schlug sogar einmal den jungen Roger Federer.
Brunolds Weg in den Sport war also vorgezeichnet, doch wofür sollte er sich entscheiden? Bis zwölf spielte er Tennis und Fussball, ehe er aufs Tennis setzte. «Die Wahl fiel mir leicht», sagt der 19-Jährige mit der eindrücklichen Haarpracht, die an Gustavo Kuerten erinnert. «Beim Tennis ärgerte ich mich viel mehr, wenn ich verlor. Da war ich mit mehr Leidenschaft dabei als im Fussball.» Immerhin spielt der 14-jährige Kimi Fussball, der jüngste der drei Brüder.
Als bester Schweizer seines Jahrgangs 2004 wurde es für Brunold schon früh ernst mit dem Tennis. Im vergangenen Jahr machte er erstmals eine grössere Öffentlichkeit auf sich aufmerksam, als er an den Challenger-Turnieren in Lugano und Biel in die Viertelfinals vorstiess und dabei drei Spieler aus den Top 200 schlug. Für Gstaad und die Basler Swiss Indoors erhielt er darauf eine Wildcard fürs Qualifikationsturnier. In der Basler St. Jakobshalle zwang er den Holländer Botic van de Zandschulp, die Weltnummer 65 und US-Open-Viertelfinalist von 2021, sogar im zweiten Satz in ein Tiebreak.
Das zeigte Brunold, was für ihn möglich ist, und bestätigte ihn in seinem Weg. Wohin ihn dieser führt, wird sich in den nächsten Jahren weisen. Wohl kein Sport ist so umkämpft wie das Männertennis, wo nur den Top 100 ein gutes Auskommen garantiert ist und überall Talente spriessen: in Europa, Asien, Nordamerika, Südamerika. Ganz viele spielen exzellent Tennis. Der Unterschied zwischen denjenigen, die es nach vorne schaffen, und den anderen ist die Konstanz. «Viele können ein, zwei Wochen gut spielen, aber nur wenigen gelingt es, das übers ganze Jahr zu zeigen», weiss Brunold. «Das zu schaffen, ist mein Ziel.»
Den Traum vom Tennisprofi träumt er seit Beginn seiner Teenagerjahre. Im Januar 2019 wurde er in Kriens mit 14 Schweizer Hallenmeister der Kategorie U-16. Im Sommer doppelte er unter freiem Himmel in Bellinzona nach. Im August, als er gerade die Sekundarschule abgeschlossen hatte, zog er nach Biel ins nationale Leistungszentrum. Anfangs war er drei Tage pro Woche dort, von Dienstag bis Donnerstag, später wohnte er von Montag bis Freitag im Internat und kehrte erst am Wochenende zur Familie zurück. «Ich hatte nie gross Probleme, so früh von zu Hause weg zu sein», sagt er.
Seit er in Biel ist, setzt Brunold voll aufs Tennis. «Wir überlegten uns, ob ich daneben schulisch noch etwas machen sollte. Aber wenn ich etwas tue, dann richtig», so Brunold. «Die Schule hätte mir nur Zeit geraubt. Und wenn es nicht klappt mit dem Tennis, wenn ich mich verletzen würde, hätte ich immer noch die Möglichkeit, eine Schule nachzuholen.» In Biel arbeitete er zuerst mit Kai Stentenbach, seit Anfang 2023 ist Roman Vögeli sein Coach.
Eine Profikarriere kostet schon in jungen Jahren viel Geld. Brunold hat das Glück, mit der Schweizer Unternehmensgruppe Etavis (Gebäudetechnik) und der Basler Merian Iselin Klinik zwei Partner zu haben, die ihn seit drei Jahren unterstützen. Kurt Schudel, der Gründer des Tennis Open Basel, stellte den Kontakt her und findet, dass solche Partnerschaften im Schweizer Sport mehr gelebt werden sollten. Brunold erhält von Etavis und der Merian Iselin Klinik einen monatlichen Betrag, um seinen Lebensunterhalt als Profisportler zu bestreiten, die Reisen an Turniere zu finanzieren und alles, was dazugehört. Im Jahr erhält er von den beiden Firmen eine respektable fünfstellige Summe.
Andreas Fiechter, bei Etavis Leiter der Region Nord, war schon beim ersten Gespräch mit Brunold angetan von diesem jungen, ambitionierten Sportler. «Wir begleiten ihn langfristig auf seinem Weg und machen ihm keinen Druck. Er soll einen Schritt nach dem anderen nehmen», sagt Fiechter. «Mit ihm und seiner Mutter Nathalie findet ein reger Austausch statt. Letztes Jahr hat er eine riesige Entwicklung gemacht. Nicht nur sportlich, auch menschlich. Wie er gereift ist, wie er kommuniziert. Tennis ist eine Lebensschule. Mir gefällt, dass er am Boden bleibt, und wie er sich mit der Region Basel identifiziert.»
Stephan Fricker, der CEO der Merian Iselin Klinik, bekam schon vor längerem Einblicke ins Tennisbusiness anhand der Familie Manta. Vater Leonardo und Sohn Lorenzo Manta waren beide Tennisprofis und Schweizer Davis-Cup-Spieler, Tochter Joana war wahrscheinlich die Talentierteste in der Familie. Sie spielte schon mit 15 an der Seite von Martina Hingis Doppel im Fed-Cup, hörte aber noch vor ihrem 20. Geburtstag auf mit dem Tennis. Grosse Talente gibt es viele, doch auf dem Weg zur erfolgreichen Karriere bleiben die meisten stecken.
Er wolle mit der Merian Iselin Klinik mithelfen, dass Brunold seinen Weg machen könne, sagt Fricker. «Tennis ist sehr zeitintensiv und tückisch. Nicht jeder wird ein Federer oder ein Stan the Man. Aber Mika ist echt willig.» Schmunzelnd fügt er an: «Und er ist der Enkel meines Jugendidols Otto Demarmels. Da konnte ich gar nicht Nein sagen.» Er schätze Brunold auch persönlich sehr, sagt Fricker. «Er ist umgänglich, aber seriös und eher zurückhaltend. Keiner, der sofort seine Brusthaare zeigt.»
Die Merian Iselin Klinik, die auch andere Sportlerinnen und Sportler unterstützt, etwa aus der Leichtathletik oder dem Beachvolleyball, steht Brunold zudem für medizinische Betreuung und Physiotherapie zur Verfügung. Von grösseren Verletzungen wurde er bisher verschont. Wohl auch, weil er schon seit jungen Jahren sehr stark auf seinen Körper achtet. Seit er elf ist, geht er einmal pro Woche präventiv in die Physiotherapie.
Mit seinen 1,91 Metern sticht Brunold allein schon wegen seiner Körpergrösse hervor. Seine Eltern hat er in dieser Beziehung schon weit übertroffen. «Fürs Tennis ist das die perfekte Grösse», sagt er. Doch gross gewachsene Athleten brauchen in der Regel etwas länger, um sich zu entwickeln und ihre Vorzüge auszuspielen. Punkto Athletik sieht Brunold bei sich denn auch noch viel Raum zur Steigerung. Auch wenn er für seine Grösse schon recht flink und elegant wirkt.
Sein Vorbild im Tennis ist keiner, der mit Eleganz besticht, also nicht Roger Federer, sondern der schlaksige Russe Daniil Medwedew. Der 1,98-Meter-Mann ist noch etwas grösser als Brunold, aber der Baselbieter sieht durchaus Parallelen zum US-Open-Champion 2021: «Ich habe einen ähnlichen Spielstil wie er. Er spielt die Rückhand auch eher flach, ist gross und dünn und bewegt sich ähnlich wie ich. Mein Ziel ist, dass ich einmal so fit und schnell auf den Beinen werde wie er. Ich kopiere Medwedew nicht, aber ich schaue, was er auf dem Court macht. Wie er gewisse Situationen taktisch löst.»
Ein markanter Unterschied ist die Vorhand, mit der Brunold den Ball mit sehr viel Spin versieht. Nicht ganz so extrem wie Rafael Nadal, aber es geht in diese Richtung. Wegen der Vorhand habe er früher mehr zu Dominic Thiem tendiert, sagt Brunold. Nun orientiert er sich mehr an Medwedew. Beide sind gute Vorbilder. Brunold ist ein Grundlinienspieler, der versucht, die Ballwechsel mit seiner Vorhand zu bestimmen. Beim Aufschlag hat er die Vorzüge seiner Grösse noch nicht ausgereizt, er hat in allen Bereichen noch ein enormes Potenzial.
2022 schnupperte an den Juniorenturnieren in Roland Garros und Wimbledon schon einmal Luft bei den Grossen. «Ich hatte die Grand Slams nur vom Fernsehen gekannt, nun war ich auf einmal da. In der Garderobe zu sein mit Novak Djokovic, all diese Stars von nahe zu sehen, war sehr eindrücklich. Und eine grosse Motivation für mich. Es zeigte mir, dass diese Welt nicht so weit weg ist. Obschon ich natürlich nur bei den Junioren spielte.»
In Biel trainiert er auch ab und zu mit Dominic Stricker und Leandro Riedi, die schon einige Schritte weiter sind als er. Sein Ziel ist, bis Ende Jahr um Rang 350 zu stehen, um die Qualifikationen für Challenger-Turniere spielen zu können. «Aber so lange ich merke, dass ich spielerisch und körperlich weiterkomme, spielt das Ranking nicht so eine grosse Rolle», fügt Brunold an.
Ein Fixpunkt ist für ihn das Tennis Open Basel Mitte Mai. «Als ich klein war, ging ich immer mit meinen Eltern schauen», sagt er. «Da waren ATP-Spieler aus den Regionen der Top 150 zu sehen, was mir sehr imponierte.» Nun möchte er seine Spuren auf dem Sand hinterlassen.
Als er 2023 in Lugano nach seinen Exploits Unterschriften schreiben musste, war er davon noch etwas überrumpelt. «Ich glaube, jede meiner Unterschriften sah ein bisschen anders aus», sagt er schmunzelnd. «Inzwischen bin ich geübter. An den Swiss Indoors habe ich sicher zehn Minuten Autogramme gegeben.» Auch das Schreiben von Unterschriften will gelernt sein, wenn man ein Tennisstar werden möchte.